"Mach das Tor unserer Stadt in eine gute Zukunft wieder auf!"

Offener Brief

von Dr. Peter Neuhaus (Sprecher Grün-offene Liste im Rat der Stadt Hilchenbach)

an den Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Hilchenbach Herrn Helmut Kaufmann

 

Sehr geehrter Herr SPD-Fraktionsvorsitzender Kaufmann, lieber Helmut,

Du trägst als Vorsitzender der größten Ratsfraktion eine Hauptverantwortung für die Geschicke unserer Stadt. Deshalb wende ich mich an Dich mit der dringenden Bitte, den politischen Kurs Deiner Fraktion zu überdenken! Denn seit den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 und seit dem immer offensichtlicher werdenden Schulterschluss der SPD mit der CDU-Fraktion regiert in Hilchenbach faktisch eine rot-schwarze Große Koalition (mit einem liberalen Anhängsel), der gegenüber die Fraktionen der UWG und der Grünen in die Position des Zuschauers verbannt wurden. Das ist das Resultat eines völlig normalen demokratischen Prozesses und an sich nicht weiter tragisch. Was wir als Opposition allerdings seit nunmehr drei Monaten zu sehen bekommen, ist erschreckend und erfüllt uns mit tiefer Sorge.

 

Denn was geschieht? In den letzten Jahren hat unsere schöne Stadt sich innerhalb des Kreises Siegen-Wittgenstein einen Ruf als lebendiges, der Zukunft zugewandtes Gemeinwesen erworben, das im Rahmen seiner Möglichkeiten als Kleinstadt auch die großen Zukunftsfragen mit Kompetenz und Leidenschaft angeht und dabei zum Vorbild für andere wird, weit über den Kreis Siegen-Wittgenstein hinaus:

Hilchenbach ist eine engagierte Kulturstadt. Dafür stehen u.a. das Theater, das Kino, unsere öffentliche Bibliothek, das Stadtarchiv und die Events auf dem Marktplatz und der Gerichtswiese. Dafür steht auch das ehrgeizige Vorhaben des Kulturellen Marktplatzes in Dahlbruch, dessen Ziel es ist, für diesen bedeutenden Ortsteil eine attraktive, pulsierende kulturelle Mitte für Jung und Alt zu schaffen. Der kulturelle Marktplatz ist eine einmalige Chance, unsere Stadt als Kulturstadt für das 21. Jahrhundert zu rüsten!

Hilchenbach ist weltoffen und familienfreundlich. Wir haben außerordentlich engagierte JugendpflegerInnen, lebendige Jugendtreffs, im Café International begegnen sich Menschen der unterschiedlichsten Herkunft und Prägung, wir haben eine großartige Willkommenskultur für junge Familien entwickelt.

Hilchenbach ist sensibel für die großen Herausforderungen unserer Zeit, etwa die Gefahren die Klimawandels. Wir sind die Klimakommune Nr. 1 im Kreis Siegen-Wittgenstein, unser Bürgerwindpark ist längst zu einer Pilgerstätte für alle möglichen Gruppen, Verbände und Vertreter von Kommunen geworden, die sich an uns ein Vorbild nehmen wollen. Der Klimaschutz hat unseren heimischen Betrieben bereits satte Gewinne beschert und tut dies weiterhin.

Hilchenbach ist auf dem Weg, sich gemeinsam mit seinen Nachbarkommunen über Entwicklungspotentiale zu verständigen im Bereich von Wirtschaft, Natur und öffentlicher Infrastruktur, um auch im 21. Jahrhundert als ländliche Gemeinde attraktiv und lebendig zu bleiben.

Das sind nur einige Beispiele, die zu der Aussage berechtigen: Wir können stolz auf unsere Stadt sein!

Doch seit einigen Monaten verdunkelt sich das Gesicht unserer Stadt. Die Nachrichtenlage ist verheerend: Hilchenbach steckt im Nothaushalt. In Hilchenbach geht nichts mehr. Das Familienbüro hat seine Arbeit einstellen müssen und die Sozialverwaltung kann nur noch auslaufend kleinere Projekte für Familien ausführen. Das Café International wird nur noch bis zum September 2015 gefördert und es steht zu befürchten, dass die erfolgreiche Integrationsarbeit der Stadt nicht fortgesetzt werden kann. Der Dahlbrucher Familientag ist abgesagt. Das Zukunftsprojekt Kultureller Marktplatz schrumpft auf die Frage, wie man eine marode Gaststätte sanieren kann. Die Zukunft von Theater und Kino scheint keine Rolle zu spielen. Wichtige Personalstellen – etwa die des Sozialdezernenten, des Kultursachbearbeiters und des Archivars – werden leichtfertig zur Disposition gestellt. Die Bibliothek leidet unter Mittelkürzungen. Ein Mobilitätskonzept für unsere Stadt, das mit über 90.000 Euro gefördert würde, kann wegen des Eigenanteils von gerade einmal 2500 Euro nicht in Auftrag gegeben werden. Das ist ein empfindlicher Rückschlag für die Klimakommune Hilchenbach, denn der Verkehrssektor ist für über 40% des CO-2-Ausstoßes in unserer Stadt verantwortlich. Auch die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarkommunen im Rahmen des europäischen Förderprogramms „LEADER“ steht auf der Kippe, weil unsere Stadt aufgrund des Nothaushaltsrechts voraussichtlich keine Mittel zur Finanzierung der dafür erforderlichen personellen Ressourcen aufbringen wird. Selbst Straßensanierungsprogramme oder die Förderung der Vereine, die Euch Sozialdemokraten immer so wichtig waren und dies ja auch sind, sind gefährdet bzw. storniert.

Kurz und schlecht: Die Aufbruchstimmung der letzten Jahre ist einer Abruchstimmung gewichen. Wir lesen nicht mehr davon, was unsere Stadt hat und kann, sondern nur noch davon, was sie nicht mehr hat und nicht mehr kann. Für diese Stimmung ist einzig und allein die rot-schwarze „GroKo“ verantwortlich. Jugendliche und junge Eltern sind ratlos und frustriert, Jugend-, Familien- und Kulturarbeiter entmutigt, viele Verwaltungsmitarbeiterinnen und – mitarbeiter, die sich mit großem Einsatz und enormer Sachkenntnis für unsere Stadt engagiert haben, sitzen wie gelähmt in ihren Büros und schütteln mit dem Kopf.

Lieber Helmut, ich frage Dich: Wohin wollt Ihr unsere Stadt steuern? Warum beschädigt Ihr ohne Not, was wir alle – und insbesondere die Bürgerinnen und Bürger selbst! - in den letzten Jahren aufgebaut haben? Hilchenbach war ein Glanzlicht in Siegen-Wittgenstein. Ihr seid dabei, ein Schlußlicht daraus zu machen!

In den letzten Tagen kann man jedoch einige leise Signale für die Rückkehr der Vernunft aus den Reihen der SPD-Fraktion vernehmen: Zwar soll gespart werden – wer würde sich dem verweigern, wenn es denn Sparpotential gibt! - aber Ihr signalisiert auch: ohne Verbesserungen auf der Einnahmenseite werden wir aus dem Schlamassel nicht herauskommen. Euer Vorschlag zur maßvollen Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer entspricht in etwa dem, was die Verwaltung (deren Kämmerer der SPD angehört!), UWG und Grüne gegen Euren Widerstand seit Monaten vorgeschlagen haben. Ob Ihr nun sagt, Ihr hättet nie etwas anderes gewollt, ist ziemlich egal. Es geht nicht um Rot, Grün oder Schwarz – sondern um Hilchenbach! Wir begrüßen darum Deinen Vorschlag ausdrücklich, denn er zeigt einen Weg auf, wie wir die Lähmung unserer Stadt überwinden und wieder zu einer gestaltenden Politik zurückfinden können.

Weil aber die Zeit drängt und es eben nicht egal ist, ob wir heute, morgen oder erst 2015 aus dem Nothaushalt herauskommen, schlagen wir vor, unverzüglich von der Verwaltung prüfen zu lassen, ob auf der Basis der von Dir vorgeschlagenen Zahlen schon jetzt ein Weg aus dem Nothaushaltsrecht gewiesen werden kann, ohne auf die langen und erfahrungsgemäß viel Staub aufwirbelnden Debatten in der sog. Sparkommission warten zu müssen. Die von Euch vorgeschlagenen Steuersätze ließen sich ja mit dem Vermerk versehen, dass sie für den Fall, dass die Sparkommission relevante Einsparpotentiale ausfindig macht, die den Fall in den Nothaushalt verhindern, wieder  zurückgenommen werden.

Lieber Helmut, es ist an Dir zu handeln. Und ich bitte Dich mit allem Nachdruck: Mach das Tor unserer Stadt in eine gute Zukunft wieder auf!

Beste Grüße,
gez. Peter Neuhaus
(Sprecher Grün-offene Liste im Rat der Stadt Hilchenbach)

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