Transparenz, Kommunikation und Beteiligung: Offener Brief zur Zukunftsfrage „Lützeler Heide“

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kaioglidis,

am kommenden Mittwoch, 17.3.2021, steht die Zukunft der „Lützeler Heide“ im Infrastrukturausschuss (vormals Stadtentwicklung) zur Debatte. Die Verwaltung schlägt dem Ausschuss sowie in der Folge dem Rat (am 24.3.2021) die Aufstellung eines Bebauungsplans „Gewerbegebiet Lützeler Heide“ vor mit dem Ziel, dort eine ca. 5 Hektar große Gewerbefläche zu schaffen. Dieses Vorhaben wird mit der Erweiterungsabsicht eines bestehenden Unternehmens zum Recycling von Kunststoffbehältern begründet. Die Erschließung ist über die Eisenstraße und die Landesstraße L722 (sowie die innere Erschließung durch das Unternehmen) geplant.

Im Namen des Stadtverbandes der Grünen in Hilchenbach bitte ich Sie hiermit, darauf hinzuwirken, dass das weitreichende und sehr komplexe Thema „Gewerbegebiet Lützeler Heide“ am kommenden Mittwoch von der Tagesordnung genommen und die Beratung und Beschlussfassung solange verschoben wird, bis die Angelegenheit entscheidungsreif ist.

Meine Bitte begründe ich wie folgt: Die Umwandlung der derzeit landwirtschaftlich genutzten Fläche in ein Gewerbegebiet wäre mit erheblichen Auswirkungen für den Ortsteil Lützel verbunden und stellt ohne Zweifel eine weitreichende Zukunftsentscheidung dar. Insofern ist jegliche Planung an dieser Stelle mit großer Um- und Weitsicht zu betreiben. „Schnellschüsse“ verbieten sich.

Die Attraktivität Lützels für den naturnahen Tourismus ist ebenso zu bedenken wie die zu erwartende Beeinträchtigung des Landschaftsbildes am Rothaarkamm, die Belange des Arten- und Klimaschutzes sowie die Erfordernisse des einzig in Lützel verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebs, der die Flächen derzeit als Weideland und zur Futtergewinnung für 70 Mutterkühe nutzt, auf die er aus wirtschaftlichen Gründen auch angewiesen ist, um nicht gezwungen zu sein, noch mehr teures Futter zuzukaufen, als aufgrund der Trockenheit der letzten Jahre ohnehin erforderlich war. Auch eine nicht auszuschließende Zunahme an Güterverkehr im jetzt schon stark belasteten Ortskern Lützels ist nicht auszuschließen, zumal sich das Stammwerk des erweiterungswilligen Unternehmens in Erndtebrück befindet.

Auch ist zu bedenken, dass Hilchenbach zwar ein Mangel an verfügbaren Industrie- und Gewerbeflächen zugeschrieben wird, zugleich aber nicht zu übersehen ist, dass in unserem Stadtgebiet eine ganze Reihe von Industriebrachen (Hammerwerk, Sieper-Werke, Loos, Hilma) auf ihre Reaktivierung warten bzw. Gewerbeflächen strukturell untergenutzt sind und in naher Zukunft auf eine Anschlussverwendung angewiesen sein könnten. Eine gründliche Sondierung dieser Flächen wäre vor jeder Neuversiegelung unbedingt wünschenswert und steht der Klimakommune Hilchenbach gut an. Auch am jetzigen Standort des Unternehmens sind noch nicht alle Ressourcen ausgeschöpft. Im Übrigen wurden dem Betrieb dem Vernehmen nach im Gewerbegebiet Schameder Gewerbeflächen angeboten, die das Unternehmen jedoch nicht in Anspruch nehmen will.

Schließlich möchte ich darauf hinweisen, dass bisher keinerlei vertiefte Informationen über die Planungsabsichten des Unternehmens vorliegen. Auch die Verwaltung unterrichtet zur Sitzung am kommenden Mittwoch nicht darüber. Welche Geländeeingriffe stehen an? Wie wird sich das „Eingangsportal“ der Ortschaft Lützel optisch verändern? Welche Gebäude sollen errichtet werden? Welche Betriebszeiten sind zu erwarten? Welcher Lieferverkehr ist geplant? Welche Lärm- und Lichtemissionen wird es geben? Wie viele Arbeitsplätze werden geschaffen? Wie hoch sind die Erschließungskosten und wer trägt sie? Welcher Grundstückspreis soll erzielt werden? Es gibt gewiss weitere Fragen, die im Vorfeld einer sachgemäßen Beratung zu klären sind und die hier nicht aufgeführt wurden.

Uns Grünen liegt es fern, die Gewerbeentwicklung in unserer Stadt zu blockieren, im Gegenteil: Mit großem Nachdruck weisen wir auf den Bedarf an Gewerbeflächen hin und haben dafür u.a. das Alte Hammerwerk Vorlaender ins Gespräch gebracht. Auch die Ansiedlung weiteren Gewerbes oder seiner Ausweitung auf der Lützel stehen wir nicht prinzipiell ablehnend, sondern derzeit ergebnisoffen gegenüber.
Aber zugleich gilt: Weitreichende Entscheidungen – und die Zukunft der Lützeler Heide ist eine solche! – bedürfen größtmöglicher Transparenz, müssen dem Informationsbedürfnis der unmittelbar betroffenen Bürger*innen und der politischen Entscheidungsträger*innen gerecht werden und Gesprächs- und Beteiligungsformen ermöglichen, auch wenn dies in Pandemiezeiten zweifellos eine besondere Herausforderung an die Verwaltung darstellt. Die Einwohner*innen von Lützel haben Anspruch darauf, vorab zu jedweder politischen Festlegung über das Vorhaben informiert zu werden, Fragen und Anliegen hierzu vorzubringen und Vorschläge und Voten aus Sicht des Dorfes in die Beratung einzuspeisen. Hierzu reicht die standardmäßige Beteiligung im Rahmen der Bauleitplanung nicht aus.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Sie haben zu Ihrem Amtsantritt zu Recht auf die Bedeutung von Transparenz, Kommunikation und Beteiligung als Voraussetzung erfolgreichen kommunalen Handelns in Politik und Verwaltung hingewiesen. Daher bitte ich Sie, diesen Grundsätzen entsprechend auch im Falle der Lützeler Heide zu verfahren und allen Beteiligten und Betroffenen die dafür erforderlichen Informationen und die nötige Beratungszeit einzuräumen. Die aktuell gewährten Fristen (17.3./24.3.) sind dafür nicht ausreichend, eine Absetzung des Tagesordnungspunktes am kommenden Mittwoch also dringend geboten.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Peter Neuhaus
(Sprecher Grüne Hilchenbach)



zurück